Entwurf einer neuen Notation für Orgelmusik

Was bisher geschah

Klaviernotation

Die Notation von Orgelmusik wird seit jeher von den anderen Tasteninstrumenten wie Klavier und Cembalo abgeleitet. Diese anderen Tasteninstrumente unterscheiden sich jedoch von der Orgel unter anderem insofern, dass sie nur ein Register besitzen: Der Klang einer Taste hängt alleine vom Anschlag, bzw. genau genommen auch noch von der Benutzung der wenigen Pedale ab. Das Klavier oder Cembalo lässt sich nicht zu einem fundamental anderen Klang umschalten. Insofern ergibt es für diese Instrumente Sinn, alle Klänge in dieselben beiden Systeme zu notieren, solange die Musik nicht zu komplex wird. Insofern ergibt dann auch eine Trennung nach linker und rechter Hand Sinn, da diese sowieso meist in unterschiedlichen Lagen spielen und unterschiedliche Notenschlüssel gebrauchen können.

Die Orgel ist anders

Die Orgel ist da anders, denn sie hat normalerweise zwei oder mehr Manuale und viele verschiedene Register. Komponierende, die für Orgel schreiben, stehen also teilweise vor ähnlichen Herausforderungen wie solche, die für Orchester schreiben. Sie haben die Wahl und damit die Verantwortung, zu entscheiden, welche Klänge verwendet werden. Solange diese Aufgabe von den Komponierenden nicht ernstgenommen wird und sie entweder eine sehr einfache oder eine sehr konventionelle Lösung anwenden, werden die Register in der Notation keine große Rolle spielen müssen. Möchten sie diese Aufgabe aber ernstnehmen, stehen sie vor dem Problem, dass Orgeln unterschiedlich sind und unterschiedlich viele Manuale und unterschiedliche Register haben. Damit wird die beste Registrierung an einer Orgel kaum die beste an einer anderen sein, selbst dann nicht unbedingt, wenn diese Register dort alle existieren.

Bisherige Lösungen

Natürlich kann man dieses Problem so umgehen, indem man entweder Register angibt, die es fast überall gibt, oder indem man Kategorien von Registern mit Fußzahlen angibt, aus denen sich dann der/die Organist:in eines oder zwei je nach Orgel aussuchen darf. Dies ist jedoch erstens nur mäßig präzise und wird zweitens bei zu häufigen Angaben schnell unübersichtlich. Man könnte sagen bei einem höheren Anspruch ist es nichts Halbes und nichts Ganzes.

Alternativ oder zusätzlich wird oft angegeben, welches Manual für welche Stimme verwendet werden soll. Dies fügt jedoch ein weiteres Problem hinzu, nämlich dass die richtigen Register in den falschen Manualen vorkommen können. Auch diese Lösung ist daher unbefriedigend.

Eine alternative Methode der Registrierungsangabe

Die Orgel als Alternative zum Orchester

Wenn wir nun wirklich die ideale Notationsweise finden wollen aus der Perspektive desjenigen, der ein spezifisches Klangergebnis erhalten möchte, und dem weniger wichtig ist, WIE dasselbe erreicht wird, solange gewisse selbstverständliche ethische Grenzen nicht überschritten werden (was im Falle der Musik doch normal sein sollte, insbesondere bei Komponierenden), sollten wir die Orgel nicht als Tasteninstrument mit mehreren Manualen und Pedal begreifen, auf das unterschiedliche Register geschaltet werden können. Vielmehr ist die Orgel ein Koordinationssystem für eine große Menge an Pfeifenarten bzw. elektronischen Klängen, die über Manuale und Pedale gespielt werden. Daraus schließe ich, dass es eigentlich die Register bzw. Pfeifen sind, an denen die Orgelnotation ausgerichtet werden muss, so wie auch die Orchesternotation an den Orchesterinstrumenten ausgerichtet wird.

Register effizient darstellen

Wenn wir nun von den Registern und Klängen ausgehen wollen, muss der Komponist sich zuallererst fragen, welche Klänge er eigentlich verwenden möchte. Hierfür sollte er dann die aus seiner Sicht optimale Registrierung für den jeweiligen einzelnen Klang angeben und kann dann beliebig präzise Alternativen vorschlagen für Orgeln, auf denen diese Registrierung nicht möglich ist.

Für Komponisten und Organisten, die sich besser mit Orgelpfeifen auskennen, kann es auch sinnvoll sein, den gewünschten Klang in Pfeifenfamilien oder gar als Obertonspektrum anzugeben. So kann man zum Beispiel auch Angaben machen wie "Alle vorhandenen Prinzipalpfeifen" (also inkl. Prinzipal-Aliquote und Mixturen), "kräftig, aber nur ungerade Teiltöne von 8'" (was im Wesentlichen gedackte Pfeifen und Flöten auf 8', 2 2/3' und 1 3/5' einschließen würde) oder gar "mit möglichst breitem und gleichmäßig verteiltem Teiltonspektrum" (also vor allem Streicher und Mixturen).

Der Platz, auf dem das getan wird, kann sich schnell lohnen, da er nur einmal für das gesamte Notenheft benötigt wird. Die entsprechenden Registrierungen kann dann der Organist vor Beginn des Stückes vorbereiten und evtl. in der Registrierungsdatenbank der Orgel einspeichern. Sofern eine Registrierung nur geringfügig von einer anderen abweicht und nicht gleichzeitig mit dieser erklingen soll, reicht es jedoch, diese Abweichung in den Noten zu kennzeichnen.

Das Notenbild

Nun stelle ich mir das Notenbild so vor, dass nicht mehr nach Händen und Pedal sortiert wird, sondern vorrangig nach Klängen. Links vor dem Notensystem stünde dann immer ein Kürzel dafür, welche Registrierung gerade dran ist. Wenn eine Registrierung leicht geändert wird, sollte diese Änderung an der entsprechenden Stelle gekennzeichnet sowie ganz links im Systemkürzel für die Dauer des Abschnitts hinzugefügt werden.

Bei einem Stück, das für eine dreimanualige Orgel geschrieben ist, können die Noten gut und gerne vier Systeme übereinander haben, davon drei für die Manuale und eins fürs Pedal. Bei höherer Manualanzahl erhöht sich diese Zahl entsprechend. Dies benötigt zwar an den komplexen Stellen mehr Platz, macht die Noten aber auch gerade, wo es gebraucht wird, deutlich übersichtlicher.

Dennoch ergibt es natürlich Sinn, die Registrierungen nach Lage zu sortieren, sodass der Spielende schnell zwischen den Noten unterscheiden kann, die für die rechte Hand, die linke Hand und für das Pedal geeignet sind.

Passieren in einem Manual gleichzeitig mehrere Stimmen in sehr unterschiedlicher Lage, kann es stellenweise auch sinnvoll sein, für ein Manual gleich zwei Systeme zu verwenden, die dann durch eine Klammer zusammengehalten werden. Dann werden aber mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nur wenige andere Systeme an der Stelle benötigt und die Noten bleiben übersichtlich.

Fazit

Dadurch dass sich meine Variante der Orgelnotation Aspekte von der Orchesternotation abschaut, hätte sie gegenüber der heute konventionellen den Vorteil, dass sie mehr Bezug zwischen den Klangintentionen des Komponisten und dem Notenbild herstellen würde, und könnte flexibel an die Möglichkeiten verschiedenster Orgeln angepasst werden.

Ich hoffe ich konnte hiermit vielleicht jemanden inspirieren, Orgelmusik neu zu denken. Sollte jemand ähnliche Ansätze kennen, kann man mich gerne informieren.