Entwurf eines neuen Bildungssystems

Das deutsche Bildungssystem wird schon lange von vielen Seiten kritisiert. Insbesondere die Corona-Krise bot nun einen weiteren Anlass, über eine grundlegende Reform nachzudenken. Hier möchte ich meine Ideen dafür einbringen.

Allgemeine Änderungen

Reduzierung der Schulpflicht

Schule braucht eine Menge an Zeit und bringt unmotivierten Schülern herzlich wenig. Viele Kinder und Jugendliche könnten also mit ihrer Zeit Besseres anfangen. Außerdem halten Unmotivierte oft den Unterricht auf und erschweren Lehrenden unverhältnismäßig den Job. Daher bin ich der Meinung, dass das Schulsystem mit Pflichtinhalten sparsamer umgehen sollte.

Modulares Kurssystem

Das System mit Klassen, sowie Haupt-, Realschule und Gymnasium baut meines Erachtens unnötig pauschale Hierarchien zwischen den Schülern auf. Schüler sind in unterschiedlichen Bereichen unterschiedlich schnell und sollten daher individueller gefördert werden. Dafür würde ich das Denken im Durchschnittskind und auch das dreigliedrige Denken ablegen, sondern je nach Anzahl der Schüler an einer Schule genau so viele Kurse in einem Fach anbieten, wie aufgefüllt werden können, und diese unterschiedlich anlegen, angepasst an den jeweiligen Lerntypen und eventuell die Lerngeschwindigkeit.

Diese Kurse sollten jedoch nach oben offen sein, also die Wahl lassen, wie lange man ein Fach am Stück besuchen will. In diesem System wären Schüler dann nicht insgesamt in einer Klassenstufe, sondern pro Fach in einem bestimmten Jahr/Semester auf einem bestimmten Kursniveau. Diese Kurse können dann in mehrere Abschnitte unterteilt werden, die jeweils mit einem Abschluss beendet werden, sodass der Bildungsstand sorgfältig dokumentiert werden kann.

Von der Wissensvermittlung zur Informationsselektion

Ein neues Bildungssystem müsste sich dem digitalen Zeitalter anpassen. Nicht nur in der Technologie, sondern vor allem in der Denkweise: Während in der Vergangenheit eine Menge Wissen existierte, die nicht kostenfrei für die Schüler verfügbar war und so diesen zugänglich gemacht werden musste, leben wir inzwischen in einer Zeit, in der wir als Spezies zwar noch nicht allwissend sind, aber von dem, was die Spezies weiß, das allermeiste bald im Internet frei zugänglich sein wird. Das heißt in Relation zu den Lehrern haben die Schüler nun keinen Informationsmangel mehr; ein Teil der Arbeit der Lehrer wurde ihnen also vom Internet abgenommen. Dafür tauchen nun neue Probleme auf: Die Informationen, die verfügbar sind, sind zum Großteil einfach falsch und zu weiteren Teilen unvollständig, manipulativ selektiert oder auch einfach vollkommen irrelevant. Die Aufgabe der Lehrkräfte verschiebt sich also in die Richtung, Schüler beim Selektieren von Informationen anzuleiten. Dies sollte sich nicht darauf beschränken, spezifische Quellen oder Narrative zu bevorzugen bzw. abzulehnen, sondern vielmehr darin bestehen, plausible Prinzipien zu lehren, die eine seriöse bzw. unseriöse Quelle ausmachen.

Organisation der Abschlüsse

Ein Großteil der Abschlüsse muss bundesweit oder in Zukunft sogar teilweise EU-weit genormt sein, um die Jobsuche zu vereinfachen. Dazu gehören Fächer ohne lokalen Bezug wie Mathematik, theoretische Naturwissenschaften und Informatik. Allerdings gibt es andere Bereiche wie Regionalpolitik oder Regionalgeschichte, die eher Landes- oder sogar Kreissache sein sollten.

Spezifische Änderungen

Reduzierung der Schulpflicht

Folgende Inhalte sollten nicht Teil des Pflichtbereiches sein:

- Unterricht in der Religion, die die Eltern einem zugewiesen haben

- Das Behandeln von Büchern im Sprachunterricht, deren Auswahl so beliebig ist, dass sie jährlich wechselt. Hier kann man sich auf wenige Bücher wie Goethes Faust beschränken. Entsprechendes gilt für Kunst und Musik.

 

- Das Behandeln von Eroberern oder Politikern im Geschichtsunterricht, die für das Zeitgeschehen keine maßgebliche Rolle mehr spielen, wie Julius Cäsar, Alexander dem Großen oder Otto von Bismarck. Der Pflichtbereich in der Geschichte sollte sich auf die Geschichte der aktuell mächtigen oder populären Ideen und Ideologien beschränken.

Ausbau aktueller Lehrinhalte

Folgende Bereiche im Bildungssystem sollten ausgebaut werden:

Philosophie

- Argumentationstheorie: Um Schüler gegen Populismus und Extremismus zu schützen, ist es heutzutage essentiell, sie mit Bewusstsein über rhetorische Tricks und Fehlschlüsse auszustatten.

- Ethik: Pflichtfach für alle Schüler:innen, evtl. Wahlpflicht mit verschiedenen Optionen der Fokussierung auf einzelne kompetente Philosoph:innen.

Naturwissenschaft

- Ökologie: Aufgrund der zunehmenden Interaktion des Menschen mit dem Ökosystem sollte Ökologie ein entscheidender Schwerpunkt innerhalb des Biologieunterrichts sein. Dieser sollte auch im Ethikunterricht berücksichtigt werden.

Gesellschaftswissenschaft

- Wissenschaftsgeschichte: Ein entscheidender Teil der Geschichte ist der, in der neue Erfindungen oder Entdeckungen gemacht wurden. Diese Geschichte Schüler:innen näher zu bringen, hilft einerseits zur Überzeugung vom Nutzen und der Validität der Wissenschaft und klärt andererseits darüber auf, unter welchen Bedingungen Fortschritt am besten funktioniert.

- Wirtschaftsgeschichte: In der Geschichte sollte desweiteren ein stärkerer Fokus darauf gelegt werden, wie einzelne Betriebe oder Staaten gewirtschaftet haben und welche Konsequenzen das für sie und ihre Umwelt hatte. Dies ermöglicht es Schüler:innen, im Erwachsenenalter kluge ökonomische und politische Entscheidungen zu treffen.

- Pluralismus in der Volkswirtschaftslehre: Das Narrativ, dass Geld eine knappe Ressource sei, hält der Empirie nicht stand. Daher sollte dieses maximal als eine Theorie von mehreren unterrichtet werden und u.a. die Modern Monetary Theory in den Unterricht mit einbezogen werden. Auch die volkswirtschaftlichen Auswirkungen von Kryptowährungen sollten differenziert betrachtet werden.

Sprachen:

- Esperanto: Für eine effizientere Völkerverständigung sollte in den Schulen in ganz Europa Unterricht in der Plansprache Esperanto angeboten werden.

Weiteres

Desweiteren müssen die Hürden für den regulären Einstieg in den Lehrerberuf gesenkt werden. In einigen Lehramtsstudiengängen wird hier viel zu viel vorausgesetzt.