Es gibt ein richtiges Leben im Falschen!

Das Zitat "Es gibt kein richtiges Leben im Falschen" vom Philosophen Theodor W. Adorno ist bekannt und wird heutzutage gerne von, meist eher links gerichteten, Intellektuellen zitiert, um zu rechtfertigen, dass sie ihren persönlichen Konsum noch nicht komplett korrekt umgestellt haben, und sich lieber darauf fokussieren, "das System" zu kritisieren. Mit diesem Text hier möchte ich Widerspruch einlegen, und letztenendes zu dem Schluss kommen, dass es ein richtiges Leben im Falschen sehr wohl gibt, und zwar aus der Perspektive egal welcher Systeme und Wertvorstellungen.

Erklärung des Zitates

Die geläufige Interpretation des Zitates besteht darin, dass es auf der einen Seite ein moralisch richtiges Verhalten gibt, das grundsätzlich für jeden zu einem gewissen Grad gleich ist, sowie auf der anderen Seite ein System, das dieses Verhalten erschwert oder sogar korrumpiert. Besonders im Kontext der Klimakrise wird dieses Zitat gerne verwendet, da wir in einem System leben, das Anreize dafür setzt, auf Kosten der Umwelt zu produzieren, und somit Nachteile für nachhaltige Unternehmen und Konsumenten schafft. In Teilen läuft es auch darauf hinaus, dass ein "perfektes", z.B. CO2-neutrales Leben, nicht möglich ist.

Das richtige Leben als Konstrukt

Um diesen Ausspruch zu dekonstruieren, müssen wir uns überlegen, was wir überhaupt mit "dem richtigen Leben" meinen: Aus meiner Sicht setzt ein richtiges Leben die theoretische Möglichkeit eines falschen Lebens voraus, und der Unterschied zwischen diesen besteht darin, dass das richtige Leben in der restlichen Welt zu einem besseren Resultat führt als das falsche Leben. Um eine langfristige Relevanz zu haben, muss das richtige Leben im Grunde zu einem besseren System als das falsche Leben führen, bzw. ein schlechtes System zerschlagen oder notwendig sein, um ein gutes System zu erhalten.
Solange wir von einem komplexen System ausgehen, in dem alles zusammenhängt und somit individuelles Leben langfristige Konsequenzen für das Gesamtsystem hat, gibt es immer ein Leben, das richtiger ist als ein anderes. Insofern lässt sich dieses auch als richtiges Leben definieren.

Das Falsche als Konstrukt

"Das Falsche" setzt die Existenz eines absolut Richtigen voraus. In diesem Zusammenhang setzt ein falsches System die Existenz eines absolut richtigen Systems voraus. Da es jedoch immer möglich ist, sich bessere Systeme vorzustellen, solange es ausreichend intelligente Subjekte gibt, die diese Kapazität entwickelt haben, gibt es dieses absolut Richtige nicht. Nach den Standards der allermeisten Menschen ist eine hohe Bildung, die damit auch die Vorstellung eines besseren Systems ermöglicht, Teil eines guten Systems, das damit nie "das Richtige" sein kann. Damit ist es auch andererseits anmaßend von "dem Falschen" zu sprechen. Es ergibt nur Sinn, von einem verbesserungsfähigen System zu sprechen.
Solange ein System als das Falsche wahrgenommen werden kann, muss es auch möglich sein, es mindestens im Kleinen zu beeinflussen, indem man diese Verbesserungsmöglichkeiten irgendwie im Ansatz miteinander kommuniziert und so die Ideen verbreitet und stärkt. Höchstens in einem hundertprozentig überwachten autoritären Staat wäre das nicht möglich.

Das richtige Leben im Falschen

Solange kein hundertprozentig überwachtes autoritäres System besteht, muss es also möglich sein, durch Kommunikation mindestens kleine Änderungen in einem System hervorzurufen. Da diese Kommunikation zu einem besseren System beiträgt und auch nicht-getätigt werden könnte, ist sie damit Teil eines richtigen Lebens im Falschen.

Das konkrete richtige Leben im konkreten Falschen

Was bedeutet das also konkret für den Umweltschutz?

Es ist wohl in der Tat sehr schwierig, heutzutage ein gutes Leben zu führen, ohne der Umwelt durch Konsumverhalten zu schaden. Allerdings kann man der Umwelt auch nützen, und das muss nicht durch direkte ökologische Effekte passieren. Auch indirekte Effekte sind möglich.
Gehen wir nun hypothetisch von einem Verlauf der Umweltzerstörung ohne den Einfluss eines spezifischen Individuums aus und nennen ihn f0.

Nun gehen wir davon aus, dass das Individuum insofern ein falsches Leben lebt, dass es ein durchschnittlich umweltschädliches Konsumverhalten von x hat, wobei angenommen sei, dass es keinen Einfluss auf das Konsumverhalten anderer ausübt. Damit ist der Verlauf mit dem Einfluss des Individuums f0+x, die Umweltzerstörung ist also größer.

Nun reduziert das Individuum seinen Grad an Umweltzerstörung um einen Betrag y, der natürlich kleiner x ist. Damit ist der Verlauf f0+x-y.